Starfighter-Absturz in Meiningserbauer

Meiningsen war 1974 Zeuge eines Starfighterabsturzes, von denen zwischen 1961 und 1989 allein fast 300 Maschinen der deutschen Bundeswehr betroffen waren. Aber auch unsere Verbündeten verloren Maschinen dieses Typs Lockheed F-104 Starfighter über Deutschland.

Am 4 Juni 1974 stürzte in unmittelbarer Nachbarschaft von Meiningserbauer ein Starfighter der KLU (Niederländische Luftstreitkräfte) ab. Er hatte das Kennzeichen D-6694.

Absturzstelle 04.06.1974
Kartenmaterial: OpenStreetMap

Die rote Markierung zeigt die Absturzstelle am Sauerweg. Spuren des Unfalls waren  noch lange Zeit auf dem Sauerweg zu sehen. Der Pilot stieg von Richtung Deiringsen kommend nach einer  Linkskurve aus und landete nahe der Straße zwischen Meiningsen und Meiningserbauer. Das führerlose Flugzeug ging östlich von Meiningserbauer zum Glück auf unbewohntem Geländer nieder. [1]

Ein schwerwiegendes Kraftstoffleck hatte Flugzeugpilot Sergeant Majoor Bob Hazenbos gezwungen, sein Flugzeug aufzugeben. Er konnte sich mit dem Schleudersitz und seinem Fallschirm weitgehend unverletzt retten. [2]

Starfighter D-6694 der KLU14.05.1966

Archivbild des Fliegers.

Pilot Bob Hzenbos (ganz links)1970

Auch ein Bild des Piloten Sergeant Majoor Bob Hazenbos (ganz links) haben wir im Internet aufgespürt. [3]

Der Soester Anzeiger [4] berichtete in seiner Ausgabe vom 05.06.1974:

Pilot behielt klaren Kopf - nur 250 Meter fehlten zur Katastrophe

Holländischer Starfighter zerschellte auf Getreidefeld - Pilot konnte noch aussteigen

Soest-Meiningserbauer. Rund 250 Meter fehlten bis zur Katastrophe. 250 Meter weiter, und der Düsenjäger vom Typ F 104 G - bekannt als Starfighter - wäre auf ein Gehöft gestürzt und nicht in einem Getreidefeld zerschellt. Ein lauter Knall hatte gestern gegen 13:15 Uhr die Bewohner aus Meiningsen, Meiningserbauer und Hewingsen aufgeschreckt. Am Himmel sahen sie einen Starfighter, der in Richtung Hewingsen flog und schnell an Höhe verlor. Plötzlich sahen Augenzeugen aus dem Triebwerk der abschmierenden Maschine weißen Rauch qualmen, der sich sich Sekunden später pechschwarz färbte. Die Maschine, die schon erheblich an Höhe verloren hatte, schien genau auf Hewingsen zuzurasen, als der Pilot, der immer noch im Cockpit saß, das Flugzeug in eine enge Linkskurve quälte und dabei versuchte, noch einmal an Höhe zu gewinnen, um sich den Absprung mit dem Schleudersitz zu sichern. Erst im letzten Moment, als er sicher sein konnte, daß die Maschine im freien Feld aufschlagen würde, betätigte er den Sprengsatz, der die Kanzel absprengt und den Schleudersitz aus der Maschine katapultiert. An seinem Fallschirm ging er am Straßenrand zwischen Meiningserbauer und Meiningsen nieder.

Die Maschine zerschellte auf einem Getreidefeld zwischen Hewingsen und Meiningserbauer. Die Trümmer wurden auf einer Fläche von über 100 Metern verstreut und rissen eine tiefe Schneise ins Getreide. Unzählige Wrackteile von kleinsten elektronischen Bauelementen bis zu tonnenschweren Triebwerken übersäten die Absturzstelle. Über den Ort verbreitete sich durchdringender Kerosingeruch. Die Soester Feuerwehr, die vorsorglich alarmiert worden war, brauchte nicht einzugreifen. Glücklicherweise hatte die Maschine kein Feuer gefangen. Die Männer mit Brandmeister Gröblinghoff an der Spitze wollten schon wieder abrücken, als ihre Kräfte dringend für eine Suche benötigt wurden. Der Pilot wurde vermißt. Zwar hatten Augenzeugen ihn aussteigen sehen, doch wußten weder Polizei noch Feuerwehr, wo er abgeblieben war und ob er allein an Bord war. Die Wehrmänner bildeten eine lange Kette und kämmten das Getreidefeld gründlich durch. Dabei stießen sie auf den Bremsfallschirm und den Survival Kit - die Seenotausrüstung. Von dem oder den Piloten keine Spur.

Plötzlich tauchte das Gerücht auf, er sei mit einem Privatwagen zur nächsten Kaserne geschafft worden. Anruf in Büecke - ohne Erfolg; Anruf in Echtrop - ohne Erfolg. Erst ein Telefonat mit dem Stabsgebäude am Opmünder Weg brachte Klarheit.

Der holländische Pilot, der sich nach einem Übungsflug über die Möhne auf dem Rückweg zu seiner Einheit nach Volkel in Holland befand, war, nachdem er sich am Fallschirm aus der abstürzenden Maschine gerettet hatte, zur Straße geeilt und hatte dort den erstbesten Wagen angehalten. In diesem Fahrzeug aber saß ein Fachmann, Oberstleutnant der Luftwaffe a. D. Brocke, der den holländischen Sergeant-Major sofort zum Stabsgebäude brachte, von wo aus die Bundeswehr unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen einleitete.

Während im Stab die Telefondrähte glühten, und an der Unfallstelle die Polizei alle Hände voll zu tun hatte, die Schaulustigen von den Trümmern der Maschine fernzuhalten, brachte ein Sanitätsfahrzeug den Piloten zur Station in der Graf-Yorck-Kaserne in Echtrop, wo der der Sergeant-Major außer einer Knieverletzung und leichteren Prellungen nichts abbekommen hatte.

Noch unter der Einwirkung des Schocks machte dann der Pilot des Unglücks-Starfighters seine erste Aussage. den Knall, durch den die Augenzeugen aufgeschreckt worden waren, hatte er in seiner Maschine nicht wahrgenommen. Ihm sei nur an seinen Instrumenten aufgefallen, daß im Treibstoffsystem ein Defekt aufgetreten sein müsse. Er habe so schnell Treibstoff verloren, daß er keine Möglichkeit gehabt hätte, noch rechtzeitig einen Flugplatz zu erreichen.

Um nicht in eine Ortschaft zu rasen und genug Höhe für den Absprung zu gewinnen, habe er dann im letzten Moment die Maschine in einer engen Linkskurve nach oben gerissen und sei ausgestiegen, als er freies Feld vor der "Schnauze" gehabt habe.

Es wird sicher noch einige Tage dauern, bis die Untersuchungskommissionen der Bundeswehr und der Holländischen Luftwaffe die genaue Ursache kennen und den Hergang rekonstruieren können. Es steht aber fest, daß der Pilot, der in der brenzligen Situation eine kühlen Kopf behielt und nicht die Nerven verloren hat, eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes verhindert hat.

simpel

Foto: Soester Anzeiger

Foto: Soester Anzeiger

Wie die bizarren Plastiken eines modernen Künstlers sahen die zum Teil zentnerschweren Wracktrümmer der F 104 G aus, die gestern mittag zwischen Hewingsen und Meiningserbauer abstürzte. Unser Bild oben links zeigt das größte Wrackteil, ein Teil des Rumpfs des Starfighters - Mit der Wucht einer gewaltigen Sense hat die abstürzende Maschine eine mehrere Meter breite, fast 100 Meter Lange Schneise in das Getreidefeld geschlagen, die mit Trümmern aller Größen übersäht war. Das Bild oben rechts gibt einen Eindruck von der Gewalt der niedergehenden Maschine. - Zerrissener Stahl, abgerissene elektrische Kabel, zersplitterte Instrumente, das war alles, was von dem einstmals stolzen Starfighter nach der Bruchlandung übrigblieb. - Eine Maschine dieses Typs, eine F 104 G, besser bekannt als Starfighter stürzte gestern ab. Unser Bild zeigt einen Starfighter der Bundeswehr. Das abgestürzte Flugzeug der holländischen Luftwaffe war mit dieser Maschine weitgehend identisch. Auch bei dem Unglücksflugzeug handelt es sich um eine einsitzige Maschine.

aus: Soester Anzeiger - Mittwoch, 5. Juni 1974.

Am 06.06.1974 hieß es im Soester Anzeiger:

Foto: Soester Anzeiger 

Das gesamte Absturzgebiet war gestern von Bundeswehr-Soldaten hermetisch abgeriegelt.

Fallschirm und Schleudersitz verschwunden

Frau des Piloten: "Der zweite Absturz"

Absturzgebiet streng bewacht - Unglück verhindert

Soest. Während gestern nachmittag der Starfighter-Pilot Bob Hasenbos in seinem Bungalow im holländischen Ort Uden von seiner Frau Rijke gepflegt wurde, setzte im Absturz-Gebiet bei Meiningserbauer die Suche nach der Unfallursache ein. Niederländische Düsenjäger kreisten über dem streng von der Bundeswehr abgeschirmten Gebiet und versuchten, die Situation kurz vor dem Absturz - wir berichteten bereits gestern ausführlich - zu simulieren, Hubschrauber-Besatzungen suchten im hoch stehenden Getreide nach Wrackteilen der zertrümmerten Maschine.

Schon am frühen Morgen machten sich eine holländische Flugunfallkommission und die deutsche Flugsicherung an die Arbeit, während Soldaten des Soester Flugabwehr-Raketen-Regiments 13 aufpaßten, daß sich kein Unbefugter der Unfallstelle näherte. Offizier de Horn als Sprecher der Holländer: "Wir können jetzt keinen in dieses Gebiet lassen, da uns immer noch einige Teile fehlen."

Unter anderem wurde bis gestern abend noch nach Schleudersitz und Fallschirm gesucht. Die Bitte des Holländers: "Wenn jemand eines dieser Teile gefunden hat, soll er doch sofort die Soester Polizei (Ruf 3554) oder auch Hauptfeldwebel Reinert bei der Fla-Rak (Ruf 4954) benachrichtigen."

Unglück vermieden

Bewunderung und Beifall aber gehören wohl dem Sergeant-Major Bob Hasenbos, der nach Zeugenaussagen durch sein übersichtliches Handeln ein größeres Unglück vermieden hat. Der 40jährige Hauptfeldwebel hat kurz vor seinem unfreiwilligen Ausstieg die Maschine, die genau in Richtung Hewingsen flog, noch einmal hochgerissen und so einen Absturz auf das Dorf vermeiden können. Als der "Anzeiger" gestern mit ihm am Telefon in seiner Wohnung sprach, wehrte er allerdings ab: "Was sollte ich denn anderes machen, das ist doch meine Pflicht."

Frau: "Bescheiden"

Ehefrau Rijke, die seine sehr schmerzhafte Kniewunde pflegt: "Mehr sagt er Ihnen dazu bestimmt nicht, Er ist immer so bescheiden. Im übrigen hat er schon Erfahrung im Abstürzen".

In der Tat: Der Pilot und Vater von zwei Kindern - eine Tochter ist 17, ein Sohn 15 Jahre alt - hat im Jahre 1959 schon einmal eine Katastrohe verhindert, als er über der holländischen Stadt Eindhoven mit einem Flugzeug abstürzte und erst in letzter Sekunde über unbesiedelten Gebiet ausstieg. Frau Rijke Hasenbos: "Darum gab es bei uns zu Hause auch keine Panik, als wir von dem Absturz hörten. Immerhin fliegt mein Mann schon seit 20 Jahren. Man hat sich an die Gefahr gewöhnt." Allerdings: Bereits eine Stunde nach dem Unglück hatte Bob Hasenbos seine Frau von Soest aus angerufen und die Familie beruhigt.

Achtung: Sprengkapsel

Etwas später allerdings mußte er eine Enttäuschung erleben. Als er an der Absturzstelle nach seinen Utensilien wie Fliegerhelm mit Sauerstoffmaske, Schwimmweste, Fallschirm und Schleudersitz suchen ließ, waren die Sachen verschwunden. Es wird angenommen, daß ein Souvenirjäger die Dinge - ohne groß darüber nachzudenken - mitgenommen hat. Die Bitte des Piloten, der holländischen Luftwaffe und auch der Soester Polizei:  Die Ausrüstungsgegenstände sofort zurückgeben, da sie für die Untersuchungen gebraucht werden. Im übrigen ist Vorsicht geboten: Im Schleudersitz könnte noch eine nicht gezündete Sprengkapsel sitzen.

fm

Foto: Soester Anzeiger 

Holländische Offiziere bitten darum, bei der Suche nach dem Schleudersitz und Fallschirm behilflich zu sein.

aus: Soester Anzeiger - Donnerstag, 6. Juni 1974.

Auch am 07.06.1974 wurde das Thema nochmals vom Soester Anzeiger aufgegriffen:

Foto: Soester Anzeiger 

Die Suche nach Munition geht weiter

Soest-Meiningserbauer.  Zwei Tage nach dem Absturz eines Starfighters der holländischen Luftwaffe zwischen Hewingsen und Meiningserbauer, ist die Absturzstelle schon so gut wie geräumt. Gestern gingen Einheiten der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit den holländischen Natopartnern daran, die weitverstreuten Wrackteile aufzuklauben und auf riesige Sattelschlepper zu verladen. Während bei einigen größeren Wrackstücken ein Kran zur Hilfe gezogen wurde, mußten die Soldaten den größten Teil der Trümmer mit der Hand verladen. Während der ganzen Zeit blieb die Vollsperrung des Gebietes aufrecht erhalten. Wie schon in der Nacht sorgten Wachsoldaten der Bundewehr dafür, daß keine Unbefugten sich der Unglücksstelle nähern konnten. Die Teile, die schon vor der Absperrung des Gebietes vermutlich von Souvenirjägern mitgenommen wurden, sind trotz unseres gestrigen Aufrufs noch nicht wieder aufgetaucht. Gefunden wurde dagegen zum größen Teil die Munition - es handelt sich um scharfe Geschosse für die Bordkanone - die bei dem Absturz in weitem Umkreis verstreut worden war. Wie gestern im Stabsgebäude Fla Rak am Opmünder Weg zu erfahren war, bleibt das Gebiet auch so lange abgesperrt, bis auch der letzte Schuß gefunden wird. Die Suchtrupps können bei ihrem Unternehmen nicht auf die Hilfe mechanischer oder elektronische Geräte zurückgreifen, sondern müssen jede Patrone manuell aufspüren und einsammeln. Da inzwischen von der Heimatbasis des Jets die genauen Beladezahlen vorliegen, kann relativ schnell festgestellt werden, wann alle Munition wiedergefunden worden ist.

aus: Soester Anzeiger - Freitag, 7. Juni 1974.

Quellen und Hinweise

  1. Nach Aussagen von Dorfbewohnern.
  2. Militaire Luchtvaard Nederland, militaireluchtvaartnederland.nl.
  3. The International F-104 Society (IFS), www.i-f-s.nl.
  4. Soester Anzeiger vom 05./06./07. Juni 1974: Lokale Nachrichten.