"Es war der spätere Superintendent Raabe in Meiningsen, dem ich mich zu besonderem Dank verpflichtet fühle wegen so manchen guten, freundschaftlichen Rates und auch wohl derben Puffes, den ich von ihm erhielt. Er war ein im praktischen Amt, in Seelsorge und Verwaltung sehr erfahrener Mann. Er verstand es vor allem mir, der ich schon bald [in] ein enges, freundschaftliches Verhältnis zu ihm geriet, die feinen Grenzen zu zeigen, die dem Geistlichen nun einmal bei allem gesellschaftlichen Verkehr und bei aller fröhlichen Sinnesart gezogen sind. Ich war eben erst von der Universität gekommen. Er selbst war auch eine zu fröhliche Natur, als daß ich von ihm jene unleidliche, übergeistigte Tonart des frömmelnden Salbadems hätte lernen können. Er war dabei ein hervorragender Kenner heimatlicher Volkskunde, Kunst und Geschichte, was umso verwunderlicher war, weil es zu jener Zeit noch wenig Literatur über diese Dinge gab. Durch ihn habe ich meine engere und weitere westfälische Heimat auf mancher Wanderfahrt zu Fuß oder per Rad genauer kennengelernt, als es bei den meisten der Fall sein wird. Jedenfalls hätte ich manche Aufgabe, die man mir im späteren Leben auf diesem Gebiet stellte, nicht erfüllen können, wenn nicht Freund Raabe mein Lehrmeister gewesen wäre.
Zwei Fehler hatte allerdings dieser sonst so prächtige Mensch. Der eine war der, daß er keine Frau hatte. So hatte er sich dann auch, nachdem seine Schwester, die ihm den Haushalt geführt hatte, gestorben war, mit einer rasch abwechselnden Reihe von zahlreichen Haushälterinnen abzumühen. Wenn er bei einer unserer regelmäßigen Zusammenkünfte fehlte, hieß es schon immer: 'Er lernt eine neue Hausdame an!' Aber dann fand er eine Hausdame, die ihn lange Jahre in seinem Pfarrhaus betreute und hernach mit ihm in seinen Ruhesitz nach Godesberg am Rhein zog. - Der andere Fehler aber war der, daß er wirklich zu bescheiden war. Es gehörte schon etwas dazu, wenn man ihn dazu bringen wollte, einen kleinen Artikel über einen heimatlichen Stoff zu schreiben. Ich kann mich nicht entsinnen, daß wir es fertig gebracht haben, daß er einmal einen Vortrag aus dem reichen Schatz seines Wissens gehalten hätte. Er hatte eine fast krankhafte Scheu, damit an die Öffentlichkeit zu treten. Dem entsprach es auch ganz, daß er angeordnet hatte, die Nachricht von seinem Tode dürfte erst nach seiner Beisetzung verschickt werden. So war es keinem seiner engsten Freunde und nur einem einzigen Pfarrer aus seiner alten Synode vergönnt, an seinem Grabe zu stehen."