Meiningser Dönekes

Der Frühschoppen [1]

In alter Zeit, als es in Meiningsen im Schatten der Kirche noch ein Gasthaus gab, traf man sich am Sonntagmorgen nach dem Kirchgang noch für ein Weilchen bei Bals zu einem kleinen Frühschoppen. Zu der Runde an der Theke gehörten unter anderen Ernst Blumendeller, Fritz Sievert, Stemanns Ditze und Heinrich Brügger. "Denn Prost!"- und: "Auf einem Bein kann man nicht stehen, tu uns noch ein Wachölderken". Man tauschte die letzten Neuigkeiten aus, Fritz Sievert berichtete noch eben mal von einem seiner Kriegserlebnisse, und so verging die Zeit. Inzwischen warteten zu Hause die Ehefrauen ungeduldig mit dem Sonntagsessen auf ihre Männer, schoben es manchmal schon in den Bratkasten zum Warmhalten.

Viel zu spät löst sich die Runde dann bei Bals auf, und endlich kommt auch Ernst Blumendeller nach Haus. Er schaut in den Bratkasten und meint verschmitzt: "Ich komme nur deshalb am Sonntag manchmal später aus der Kirche nach Hause, weil der Sonntagsbraten aus dem Bratkasten (aufgewärmt) mir viel besser schmeckt".

Auf Freiersfüßen [2]

Die hübsche Tochter Sophie des angesehenen Bauern Henser in Meiningsen ist im Sauerland in hauswirtschaftliche Ausbildung gegeben worden. Sie hat dort im Dorf einen schmucken Verehrer gefunden.

Davon hört der junge Bauernsohn Fritz Crismann, ein schneidiger junger Mann, der auf Sophie schon lange ein Auge geworfen hat. Er holt sein Pferd aus dem Stall, putzt und sattelt es, um einen Ritt ins Sauerland zu starten.

Der muss denn doch von Erfolg gekrönt gewesen sein, denn Sophie Henser und Fritz Crismann feiern nicht lange darauf ihre Hochzeit auf dem Hof Henser.

Ein Schnack mit dem Herrn Pastor [3]

Ein Bauer begutachtet im Meiningser Tal auf seinem Feld mit Sorge den reifen, goldgelben Hafer. Es hat davor lange geregnet und gestürmt, das Korn ist inzwischen überreif und fällt aus. Und gerade jetzt kommt der Pastor Raabe vorbei. Für einen Schnack hat man immer Zeit. "Na, Herr R., wie steht das Korn?" Die Antwort: "Ja, Herr Pastor, der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen. Der ganze Hafer liegt auf dem Feld."

Erfahrungen [4]

Der junge Medizinstudent Carl R. kommt in den Semesterferien auf den elterlichen Bauernhof in Meiningsen zurück. Er berichtet seinem Vater begeistert von den neuen Erfahrungen am Studienort. Vielseitig sei die Arbeit im Studium, während in Meiningsen und im besonderen in der Landwirtschaft auf dem Hof der Eltern alle Arbeiten doch eher ganz mechanisch verrichtet werden könnten. Nach kurzem Überlegen antwortet der Vater ruhig: "Damit hast du sicher sehr recht, denn erst gestern bin ich ganz mechanisch die Treppe hochgestiegen und habe mechanisch 30 Mark aus der Geldtasche genommen, um ganz mechanisch deinen Schneider zu bezahlen."

Tini [5]

Ein kleines Mädchen auf einem Bauernhof in Meiningsen liebt den kleinen, schwarzen Hund Tini heiß und innig. Als Findel ist er auf den Hof gekommen, entwickelt sich aber inzwischen zu einem kleinen, schwarzen Teufel. Alle seine Untugenden sind ihm nicht abzugewöhnen, einmal stibitzt er sogar ein Hörgerät vom Tisch, um es auch noch zu zerbeißen.

Tagsüber stromert der geliebte Hund oft im Dorf und ist dadurch bei vielen Leuten inzwischen bekannt. Besonders gern jagt er die frei laufenden Hühner auf dem Wilmshof bei Crismanns.

Eines Tages schellt das Telefon. Mit verständlich ernster Stimme beklagt sich Carl Crismann, dass der Hund nicht nur wie sonst immer die Hühner jage, sondern jetzt auch einige gerissen habe. Zerknirscht wird versprochen, in Zukunft die Tini einzusperren, und mit Hilfe der Haftpflicht kann der Schaden gütlich geregelt werden.

Den Tierfreunden auf dem Hof tut der eingesperrte Hund aber entsetzlich leid. Bei einem Bummel durch ein Zoogeschäft entsteht die Idee, der Tini einen kleinen Maulkorb zu kaufen. Gesagt, getan. Mit Maulkorb kann das Teufelchen wieder rennen und keinen Schaden unter dem Hühnervolk anrichten, meint man.

Und schon wieder ein Anruf vom Crismannschen Hof. "Frau R., Ihr Hund ..." "Aber er hat doch einen Maulkorb um". Die Antwort: "Jetzt hat er die Hühner in den Teich getrieben".

Aus dem Meiningser Internet-Gästebuch [6]

Wenn man auf unserer tollen Meiningser Website unter www.meiningsen.de im Internet nachschaut, kann man sich auch über Gerüchte informieren, die im Dorf kursieren. So haben die Bautätigkeits- und Abrissaktionen auf Blumendellers Hof und die weiter steigenden Ölpreise zu gigantischen Spekulationen geführt. Unser Meiningser Milch-Landwirt antwortet darauf so:

"Name: ein alter kuhtreiber
Datum: mittwoch 4. Oktober, 2000 um 22:44:07
Kommentar:
Hallo, ich möchte ueber das geruecht sprechen, daß der milchpreis an den oelpreis gekoppelt wird, und der 'milchbauer' dann ein zweites schuetzenfest ausrichtet. Sollte es jemals dazu kommen, wird er sich sicher nicht lumpen lassen. Allerdings wird das fest sicherlich nicht schuetzenfest heissen, sondern nach einem jungen, dynamischen und erfolgreichen sohn benannt werden. Uebrigens arbeitet dieser bereits an einem verbrennungsmotor, der mit milch arbeitet und dessen abgase lediglich aus joghurt in verschiedenen geschmacksrichtungen bestehen. der export kann in ein paar monaten beginnen, hoffentlich ist dann der flughafen bei blumendellers fertig.
"

Das Wecken [7]

In den Dörfern der Börde werden die Bewohner an Schützenfest von dem Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr mit Musik geweckt. Eigentlich hört man schon lange vorher, wenn die Musik unterwegs ist. Auf dem Rienhof in Meiningsen haben die Bewohner in den fünfziger Jahren das aber wohl einmal nicht gehört. Vorm Haus nimmt der Spielmannszug Aufstellung, das Kommando des Tambourmajors Ditze Brauks ertönt, und die Musikanten spielen, jedoch erwacht im Haus niemand. Noch einmal gespielt und - wieder nichts. Ratlosigkeit - und ein vorsichtiger Griff auf die Klinke der Haustür: "Die ist ja offen", ein schneller Entschluß vom Kommandeur Ditze Brauks: Aufstellung und Marsch, die "Knüppelmusik" zieht vorne mit klingendem, jetzt ohrenbetäubendem Spiel ins Haus ein und am Ende durch eine Tür wieder hinaus.

Unser Ditze Brauks, vielen Älteren noch bekannt, war eben einfach ein Original.
Ein guter Informant weiß auch zu berichten, dass der Spielmannszug vor dieser Zeit als erstes im Dorf die Bewohner des Rienhofs geweckt haben soll. Hagebuttenschnaps, selbst hergestellt aus gesammelten Hagebutten der Springstraße, wurde zum Dank als besondere Delikatesse eingeschenkt.

Sonntags [8]

So ganz sicher können wir nicht sein, dass Willi Crismann, der Erzähler dieser Geschichte, sie nicht erfunden hat, um seine kirchentreue Mutter etwas auf die Schippe zu nehmen.

Also, nach der Predigt soll der Pastor Raabe, ein Junggeselle, seine Gemeindeschäfchen öfter in Spannung versetzt haben. Es konnte nämlich vorkommen, dass er noch von der Kanzel herunter den Namen der Familie verkündete, bei der er gedachte, zum sonntäglichen Mittagessen zu Gast zu sein. Und verwunderlich war es nicht, dass manche der Frauen deshalb still und leise vorzeitig die Kirche verlassen haben sollen.

Zwei böse Buben [9]

Zwei Schuljungen aus Meiningsen waren dicke Freunde und unzertrennlich. Auf einem der elterlichen Bauernhöfe konnte man besonders gut und ungestört spielen. Es machte Spaß, auf dem "Steinpott" zu schippern, oder auch hinter der Ecke eine erste Zigarette zu versuchen. Eines Tages schaute die Mutter des einen auf diesem Bauernhof aus dem Fenster. Ihr fiel auf, daß eine der damals gewöhnlich frei laufenden Enten auf der Sandsteinmauer saß und gemütlich ihr Federkleid putzte. Doch was war das? Verwundert rieb sich die Beobachterin die Augen, denn wie ein Stein war diese Ente gerade von der Mauer gefallen. Als die Mutter der Sache nachging, stellte sich heraus, dass das Federvieh von der Mauer geschossen worden war, und hinter der Ecke standen zwei schuldbewusste Jungen, die ihr Strafgericht erwarteten. Sie hatten ein altes Jagdgewehr benutzt, um auszuprobieren, ob es noch funktionierte. Wie böse hätte das ausgehen können, aber versonnen meinte der Vater, ein passionierter Jäger: "Und sie haben sogar die Ente getroffen".

Nachbarn [10]

Zwei Meiningser Bauern sind nicht nur Nachbarn, sondern auch ihre Felder am Hof grenzen aneinander. Und wie das so ist, die Männer treffen sich eines Mittags am Ackerrand, um über die Grenze hinweg "en klain Pröleken te holln". Vielleicht über die Schweinepreise, die Ernteerträge, das Vieh oder auch über die Menschen im Dorf. Ganz vertieft sind sie, bemerken nicht, dass der eine von ihnen zum Essen gerufen wird. Sie setzen das interessante Fachgespräch fort, es fällt ihnen gar nicht auf, dass eine zweite Aufforderung zum Mittagessen alsbald erfolgt, aber noch immer können sie kein Ende finden. Und wie reagiert nun die geplagte Ehefrau, die mit dem Mittagessen wartet? - Sie kommt ein drittes Mal zum Feld hinter dem Hof, stellt zwei Stühle neben die ins Gespräch vertieften Männer und meint: "En sittenden Äs kann viäl biäter bedenken!"

Der bissige Hund [11]

In früherer Zeit hatten es die Hunde auf den Höfen nicht so bequem wie heute. Sie wurden an einer Kette gehalten, vor allem, wenn sie auch noch besonders scharf waren. Solch einen Hund gab es auch auf Joests Hof. Allen war bekannt, dass dieser Hund besonders gefährlich sein sollte, niemand traute sich nahe an ihn heran.

Als einmal die Schulkinder früh morgens zum Unterrichtsbeginn in den Klassenraum gehen wollten, blieben Kleine und Große erstarrt vor der Schultür stehen. An der Türklinke war Joests bissiger Kettenhund angebunden, und niemand wusste, wie er da hingekommen sein mochte. Die Aufregung war groß, bis endlich herauskam, dass Ecks Ditze seinen Mut beweisen wollte.

Irgendwie hatte er dem Höllenhund an seiner Hütte auf Joests Hof die Kette gelöst, ihn mit einer langen Forke am Halsband zur Schule geführt und an der Schultür festgebunden.

Anschließend wurde gemunkelt, der Wachhund sei ein ganz lieber gewesen, von Bissigkeit keine Spur. Nur zur Abschreckung von Einbrechern sei dieses Märchen verbreitet worden.

Strenge Zucht in der Schule [12]

In der Dorfschule sollen bei Lehrer Gerke die Erziehungsgrundsätze noch zusätzlich mit dem Rohrstock bekräftigt worden sein. Das war allen Schülern und auch manchen Eltern bekannt.
Eines Tages legte es einer der rüpelhaftesten Schüler besonders darauf an, mit dem Rohrstock Bekanntschaft zu machen, warum nur?

Und es kam, wie es kommen musste. Lehrer Gerke griff zum Stock, holte aus, der Stock zischte durch die Luft, und dem gebückten Tunichtgut wurde unter schrecklichem Gebrüll der erste Schlag auf den Hosenboden verpasst.

Doch was war das? An den Beinen des Schülers lief das Blut, und alle Schüler und Lehrer Gerke hielten den Atem vor Schreck an.

Die Erklärung fand sich aber schnell. Diesmal hatte der Junge dem Lehrer eine Lehre erteilen wollen. Beim Schlachtfest am Tag vorher hatte er die aufgeblasene Schweinsblase mit Schweineblut gefüllt und sich vor der Schulstunde die Konstruktion auf dem Hosenboden unter der Buxe befestigt.

Ein älterer Meiningser Bürger, ehemals auch ein betroffener Schüler des Herrn Lehrer Gerke, weiß zu berichten, dass auch die Mädchen vor der strengen Zucht mit dem Stock nicht sicher sein konnten. Oft spritzten die Schürzenknöpfe der gezüchtigten Schülerinnen umher, wenn einmal wieder der Rohrstock benutzt wurde.

Auf dem Plumpsklo [13]

Auch schon früher sollen freche Jungen ihre Eltern geärgert haben. So hört man davon, daß auf der Bauer ein Vater seinen davon flitzenden Sprössling um alle Hausecken hinterherlief, um ihn einzufangen und zu bestrafen.

Was war passiert? Wasserspülung und Toiletten im Haus gab es zu der Zeit noch nicht. Ein Plumpsklo auf dem Hof tat den gleichen Dienst. Von Zeit zu Zeit öffnete man am hinteren Teil des Häuschens eine Klappe, um das Klo zu entleeren.

Diese Klappe hatte der aufmüpfige Sohn nun geöffnet, einen dicken Stein in die Pampe geworfen, so dass dem auf dem Klositz sitzenden Vater die Jauche an den Allerwertesten spritzte.

Anspruchslose Kinder [14]

1. Um das Jahr 1900 gab es einen Händler, der mit Pferd und Wagen in Meiningsen von Hof zu Hof fuhr. Er verkaufte an die Bauern Waren, die auf den Höfen nicht selbst erzeugt werden konnten, unter anderem Petroleum für die Lampen und Salz für die Küche.

Für die Kinder hatte er immer ein Herz. In einem Einkochglas auf dem Wagen führte er die leckersten Bonbons mit. Jedes Kind bekam eins dieser süßen Mitbringsel geschenkt, wenn er auf den Hof kam.

Ein kleines Mädchen auf dem Wilmshof hatte eines Tages den Händler verpasst, der schon durch die Springstraße nach Rissen Hof weitergezogen war. In heutiger Zeit würde sich dieses Kind anderen Dingen zuwenden und das Bonbon vergessen. Aber nicht um 1900. Das kleine Mädchen machte sich auf den Weg und lief dem Pferdewagen nach, bis auf den Rienhof, um strahlend die Süßigkeit in Empfang zu nehmen.

2. Um 1890 fuhr der Vater (Großvater von Lore Brünger) mit Pferd und Wagen nach Soest, um Weizen zu verkaufen. Die anspruchslosen, bescheidenen Kinder freuten sich unbändig auf sein Heimkommen, denn sie wussten ganz genau, dass der Vater etwas Kostbares mitbringen würde. In Soest hatte er ein sogenanntes Reihenstütgen gekauft. Ein Weißbrot, von dem für jedes Kind ein Teilstück abgebrochen werden konnte. Und die Freude war groß.

3. In Hewingsen wohnte um das Jahr 1935 eine Familie Klein. Die Eltern mit den Kindern Hans, Lene, Lisbeth und Carl waren aus Ostpreußen gekommen. Wie jeder weiß, gab es in Hewingsen nur eine katholische Schule, jedoch sollten die vier Kinder evangelisch erzogen werden. Ihnen wurde daraufhin zugemutet, jeden Tag zu Fuß von Hewingsen nach Meiningsen zur Schule zu gehen. Und keines der Kinder soll gemurrt haben.

Kartoffelkäfer suchen [15]

In den 1940er Jahren wurden alle Schulklassen in Deutschland in den Frühsommerwochen dazu "verdonnert", Kartoffelkäfer zu suchen. So zogen an einem warmen Vormittag auch die Großen der Meiningser Schule unter Leitung von Lehrer Schulte hinaus auf einen mehrere Morgen großen Kartoffelacker auf dem Aakfeld. Dabei wurden einem Mädchen oder einem Jungen je zwei Reihen zugewiesen, und man musste nun in gebückter Haltung durch die Furche gehen und von der Blattoberfläche die schwarz-weiß gestreiften Käfer oder von der Unterseite die rosa Larven absammeln. Sie wurden in kleine Blechbüchsen gesteckt, nach einmaligem Rauf und Runter im Feld auf einen Haufen geschüttet und verbrannt. Dann kamen neue Furchen an die Reihe.

Der Vormittag war sonnig und warm, die Schülerschar schwitzte ganz schön. Die Aufsichtsperson hatte sich in der Zwischenzeit auf den warmen Grasstreifen gelegt, der am Köchlingser Patt entlang in 1–2 Meter Breite leicht schräg nach oben Weg und Acker trennte. Sehr zu ihrem Erstaunen bemerkten die Mädchen und Jungen nach einiger Zeit, dass Herr Schulte eingeschlafen war. Das Ergebnis einer sofort einsetzenden Flüsterberatung war: "Wir schleichen nach Hause!" Gesagt, getan. Merkwürdigerweise hat der sonst so strenge Herr Schulte diese Unbotmäßigkeit nie mehr erwähnt, geschweige denn bestraft.

Jauche fahren [16]

Das Jauche Fahren, scherzhaft auch "jauchzen" genannt, war eine schwere Arbeit. In der Regel war ein 1000-l-Faß auf einem Wagen montiert, der wurde rückwärts bis an die Hinterachse in die Jauchegrube geschoben, und ein Mann musste nun mit dem "Jaucheschepper", einem ca. 5 l fassenden alten Eimer an einer Stange, das Jauchefass füllen. Das war nicht nur eine Qual für die Armmuskeln. Das Jauchefass wurde vorher mit einem Schieber oder auch mit einem Holzpflock, der wiederum mit einer leichten Kette am Faß befestigt war, verschlossen. War das Fass gefüllt, so hieß es "Hüho" und die Fuhre zockelte Richtung Acker.

Auf dem Feld musste nun der Pflock vorsichtig aus der Öffnung gezogen werden, ein dicker Strahl schoss hervor und verteilte sich durch ein unter der Öffnung montiertes horizontales Blech in einem ca. 1,50 m breiten Schwall auf dem Boden. Da musste man schon schnell beiseite springen, wenn der Verschluss geöffnet wurde. Sonst brauchte man sich für Tage nirgendwo sehen zu lassen. An einem Wintertag hatte Waldemar H. den Auftrag zum Jauche fahren bekommen. Er muss wohl beim Verschließen des Fasses mit dem Holzpflock ein bißchen nachlässig gewesen sein, denn als er gerade am Crismannschen Wohnhaus vorbei rumpelte, flog der Pflock raus und die Brühe verteilte sich. Was tun? Waldemar entschied sich für die schnellste Lösung: Er stürzte sich in den Jauchestrahl, ergriff den Holzpflock und schob ihn, nach 2–3 vergeblichen Ansätzen, wieder korrekt in die richtige Öffnung.

Eine Jaucheüberschwemmung vor dem Haus war vermieden, die Säuberung von Mann und Arbeitskleidung stellte für die damaligen Waschmöglichkeiten aber durchaus ein Problem dar.

Ferkel [17]

Hermann Bock erzählte mal, er habe gerade Karl Böhmer getroffen, der sehr wütend gewesen sei. Er hätte nämlich morgens festgestellt, dass eine Sau bald ferkeln sollte, und deshalb im Haus darum gebeten, im Stall ein wachsames Auge auf die Box zu haben. Mittags war das Unglück geschehen: Die Sau hatte verferkelt. Das habe Karl Böhmer mit den Worten kommentiert: "Jau, wenn man nich allet sewes maket."

Motorrad fahren [18]

Ein Motorrad war in den dreißiger Jahren schon eine kleine Sensation, und ein stolzer Besitzer konnte nicht nur bei der weiblichen Bevölkerung mit viel Aufmerksamkeit rechnen. So erging es auch Schlossermeister Kossel, der sich einen solchen modernen Flitzer zugelegt hatte. Alle wollten mal mitgenommen werden und zumindest eine Probefahrt mitmachen. So sprach auch Ernst Crismann eines Tages mit Meister Kossel, und es wurde eine Fahrt nach Soest vereinbart. Auf dem Soziussitz saß man wesentlich höher als der Fahrer, man hatte vielleicht auch die bessere Aussicht. Die Strecke nach Soest war ja recht unproblematisch, sie hatte nur eine Tücke, das war die fast rechtwinklige Linkskurve unmittelbar hinter einer kleinen Brücke kurz vor Bauer Göppentin. Heute endet dort die Stichstraße Rothertweg. Ob es nun an überhöhter Geschwindigkeit lag, ob an allgemeiner Unaufmerksamkeit oder an mangelnder Fahrpraxis: kurz, das Motorrad rutschte aus der Kurve und geriet in den Graben. Der Soziusfahrer aber flog von seinem höheren Sitz auf den – Gott sei Dank – frisch gepflügten Acker und blieb bewusstlos liegen. Meister Kossel rappelte sich auf, schob das leicht verbeulte Motorrad zu Göppentin, um weitere Hilfe zu veranlassen. In der Zwischenzeit aber wurde Ernst Crismann wieder wach und sah sich mit brummendem Schädel allein. Er konnte sich das alles nicht so recht erklären, da aber niemand in der Nähe war, machte er sich auf den Fußmarsch zurück nach Meiningsen. In seiner Familie und wohl auch im Dorfe gab es in den folgenden Tagen viel zu lachen.

Geburtstagstorten [19]

Auf einem Meiningser Bauernhof sollte ein runder Geburtstag gefeiert werden. Die Bäuerin hatte alles vorbereitet, u. a. ausreichend Kuchen gebacken, darunter zwei schöne Torten. Diese beiden Torten stellte sie wegen schlechter anderer Kühlmöglichkeiten auf die breiten Fensterbänke vor Küche und Vorratskammer. Die Fenster wiesen zum Äppelhoff, den man auch durchqueren konnte, wenn man zum Nachbarn wollte. Zur festgesetzten Zeit erschienen die Gäste, es sollten der Kaffee ausgeschenkt und die Kuchen auf den Tisch gebracht werden. Nur waren die Torten leider nicht mehr an ihrem Platz. Die Aufregung war riesengroß, ein hektisches Suchen begann, nichts war zu machen. War es ein böser Streich? War es Diebstahl? Hausbewohner wurden befragt: Nichts. Die Nachbarn jenseits des Appelhoffs wurden befragt: Nichts. Kurz, in der Aufregung entstand ein handfester Streit, in dessen Verlauf die Nachbarsfrau des Diebstahls bezichtigt wurde. Aufgeklärt wurde die Sache nie, aber einige Beteiligte wurden doch nachdenklich, als sie die Tortenplatten noch an ihren Plätzen sahen, während die beiden Rinder, die auf dem Äppelhoff eigentlich weiden sollten, sich mit ihren langen Zungen genüsslich die Mäuler leckten.

Achtung: hier müssen noch einige Geschichten von Willi rein! (Tapeten, Traktor-Pinkler, Fleißkärtchen ...)

Quellen

  1. nach Anna Blumendeller in:
    Dela Risse: Meiningsen im Wandel der Zeit. Meiningsen 2001, S. 40. Siehe Literaturverzeichnis.
  2. nach Lore Brünger in: Ebenda, S. 40.
  3. nach Dieter Risse in: Ebenda, S. 40.
  4. nach Lore Brünger in: Ebenda, S. 40.
  5. Dela Risse in:  Ebenda, S. 41.
  6. Hendrik Müller in: Ebenda, S. 41.
  7. nach Dieter Risse in: Ebenda, S. 41ff.
  8. nach Ulf Loewer in: Ebenda, S. 42.
  9. Dela Risse in: Ebenda, S. 42.
  10. nach Dieter Risse in: Ebenda, S. 42.
  11. nach Franz Lenze in: Ebenda, S. 43.
  12. nach Walter Müller in: Ebenda, S. 43.
  13. nach Annegret Lüke in: Ebenda, S. 43.
  14. nach Lore Brünger in: Ebenda, S. 44.
  15. von Ulf Loewer in: Ebenda, S. 45.
  16. von Ulf Loewer in: Ebenda, S. 45.
  17. von Ulf Loewer in: Ebenda, S. 45ff.
  18. von Ulf Loewer in: Ebenda, S. 46.
  19. von Ulf Loewer in: Ebenda, S. 46.

Siehe auch