Der "Steinpott" im Wandel der Jahreszeiten [1] [2]

Von der Vielzahl der vorhandenen Teiche aus den 1950er Jahren ist der Steinpott [Anmerkung Dela Risse: Quellteich auf dem Hof Blumendeller] als ein gesundes Biotop bis in die heutige Zeit erhalten geblieben. Ein Großteil der damals vorhandenen kleineren und größeren Teiche wurde im Laufe der Zeit zugeschüttet oder ist durch sonstige Einflüsse verlandet.

Der Steinpott war für die Dorfjugend zu jeder Jahreszeit ein lohnendes Ziel, um diverse Freizeitaktivitäten umzusetzen. Im Winter diente er nach längeren Frostperioden als Schlittschuhlauf- und Schlinderfläche. Die Älteren spielten Hockey mit Schlägern aus verschiedenen Hölzern wie Weiden oder Haselnüssen, die mit einem Messer zugeschnitten wurden. Gut ausgerüstet waren diejenigen, die den Spazierstock ihres Vaters oder Großvaters für den Hockeysport mitgehen lassen konnten. Als Puck diente eine Eisenscheibe oder ein Hartgummiball, die Tore markierten wir in der Regel mit abgelegten Kleidungsstücken. Die Spiele wurden mit grober Heftigkeit ausgetragen, nach ruppigen Kloppereien waren erhebliche Blessuren an der Tagesordnung. Für die Auswärtigen aus Epsingsen oder der Meiningserbauer war der Steinpott nach der Schule vor dem Heimweg zunächst mal die erste Adresse, besorgte Eltern ließ man im Ungewissen.

26.12.2000
"Steinpott" auf dem Hof Blumendeller.

Die Winterfreuden auf dem Teich endeten in Meiningsen keinesfalls mit dem Tauwetter. Jetzt wurden die Eisflächen mit Äxten bearbeitet, in quadratmetergroße Stücke geschlagen und es begann das sogenannte "Stückchenlaufen". Es gehörte schon eine gehörige Portion Mut dazu, auf dem Eis, das Gleichgewicht haltend, den Teich zu überqueren. Der König der Stückchenläufer war Ubo K., der es fertig brachte, mit einem Fahrrad schiebend über die wankenden Eisflächen zu balancieren; zur Untermalung seiner Darbietung trug er schon mal einen Zylinder. Unter den vielen Zuschauern befanden sich natürlich auch seine Geschwister sowie seine Mutter, die mit ihren "Rückrufen" und Strafandrohungen aber nichts ausrichten konnte. Beim Aufschlagen des Eises ging schon mal die Axt in den Teichfluten unter. Friedrich Sch. beispielsweise scheute sich nicht, die Axt durch mehrmaliges riskantes Tauchen wieder hervorzuholen. Ich selbst brach ein- bis zweimal pro Saison ein; aus Angst vor dem häuslichen Ärger versuchte man, die Klamotten in einer Scheune oder Spinnstube zu trocknen. Das Verheimlichen des Einbruchs war fast nie möglich, dass man dennoch eine Lungenentzündung riskierte, interessierte nicht.

In den 1950er Jahren bauten die Brüder Wilhelm und Walter J., bei deren Eltern ich mit meiner Mutter wohnte, ein Paddelboot mit ihren Freunden auf dem Dachboden. Als damals Zehnjähriger habe ich die Arbeiten mit großem Interesse verfolgt. Nach der Fertigstellung im zeitigen Frühjahr erfolgte der Stapellauf im Steinpott. Das Boot wurde auf Seetüchtigkeit für eine anschließende Verwendung auf dem Möhnesee geprüft.

Als weitere Frühjahrsaktivität am Steinpott fällt mir noch das Fischen ein. Mit einer ausgehängten Stalltür wateten wir zu viert barfuss ins Wasser und drückten die Tür unter die Wasseroberfläche. Nach kurzer Zeitspanne ließen wir die Tür wieder hochschnellen und konnten Stichlinge oder Kleinkarauschen aufgreifen, die mangels eines Aquariums in der Regel in Einmachgläsern landeten.

Höhepunkt der Steinpottsaison waren aber die Sommermonate, sobald die Badetemperatur erreicht war. Es begann ein vielfältiges Badeleben; dabei ging man vorwiegend im Adamskostüm ins Wasser.

Zunächst wurden in ungeübtem "Hundepaddeln" die ersten Schwimmzüge vollzogen, um später, nach Anleitung durch die Älteren, das normale Brustschwimmen zu beherrschen. Der Hochbetrieb lag in der Regel in den Nachmittagsstunden.

Nun waren die Badefreuden nicht ungetrübt, da viele Eltern, so auch meine Mutter, ihre Kinder mit einem strikten Badeverbot belegten, was zur Folge hatte, dass man sich heimlich in die Fluten stürzen musste. Im Gegensatz zum Eiseinbruch im Winter waren die missachteten Sommerverbote auch gut zu vertuschen. Trotzdem hatte ich einmal großes Pech, als mich der katholische Religionslehrer Emil H. beim Unterricht vermisste. Er besann sich, dass er meine Mutter bei der Fahrradanreise aus Hewingsen auf dem Felde bei der Arbeit gesehen hatte. Er verließ vorübergehend den Unterricht und begab sich auf das Feld zu meiner Mutter. Nach Anhörung seines Anliegens ahnte sie wohl, wo ich aufzutreiben war, und begab sich mit dem besorgten Pädagogen schnurstracks zum Steinpott. Ich wurde zwar noch gewarnt, "deine Ma kommt", aber da war es auch schon zu spät. Ich habe mein Bündel unbekleidet aufnehmen müssen, wurde in Begleitung meiner Mutter und des Lehrers nach Hause gescheucht, bekam dort einen Eimer Wasser übergeschüttet, durfte mich anziehen und in die Schule gehen. Meine Mutter begab sich zurück aufs Feld, der Lehrer nahm seine religions-pädagogische Tätigkeit für den kläglichen Rest der Stunde wieder auf. Zumindest hatte ich meinen Mitschülern eine gute Freistunde verschafft.

Steinpott im Sommer01.08.1999
"Steinpott" auf dem Hof Blumendeller.

Wenn der Steinpott auch heute keine Badefreuden mehr in dem Ausmaß der damaligen Zeit beschert, so hat er doch noch wertvolle Aufgaben als Biotop zu erfüllen.

Quellen und Hinweise

  1. Werner Faber in:
    Dela Risse: Meiningsen im Wandel der Zeit. Siehe Literaturverzeichnis.
  2. Werner Faber: Meine ersten Lebensjahre, geb. 1941, habe ich in Seitenberg, Niederschlesien, verbracht. Mit dem Ende des 2. Weltkrieges erfolgte die Vertreibung. Zusammen mit meiner Mutter landete ich 1946 in Meiningsen, mein Vater galt als vermisst und ist auch nicht heimgekehrt. Nach Ende der Schulzeit in Meiningsen begann ich 1956 eine Lehre als Mechaniker in einem Reparaturbetrieb für Landmaschinen und Traktoren. Der Ausbildung und zwei Gesellenjahren folgte eine sechsjährige Bundeswehrzeit. Anschließend verbrachte ich drei Jahre an der Pädagogischen Hochschule Ruhr und bin seit 1971 an der Fachhochschule Dortmund. Seit ca. zwanzig Jahren leite ich das dortige Studentensekretariat und bin für die Studien- und Wechslerberatung verantwortlich. Verheiratet bin ich seit 1967 mit der Bürokauffrau Elisabeth Faber, unsere Tochter Katharina ist Richterin am Verwaltungsgericht Dresden und unser Sohn Benedikt Lehrer an einem Gymnasium in Aachen.