Feldarbeiten in den Fünfzigern [1]

1932
In der Ernte (Foto von Erika Böhmer)
V. l. Karl Müller, Twiete, oben links Emmi Knievel geb. Lappe.

Im Oktober 1956 kam ich auf den Hof in Meiningsen. Um diese Zeit wurden auch die Runkeln zur Viehfütterung im Winter auf dem Acker geborgen. Das ging so: Runkeln oder Futterrüben, die nicht so tiefgehende Wurzeln wie unsere Zuckerrüben in der Börde haben, wurden per Hand gezogen. Man war geübt darin, die Runkeln sauber in der Reihe auszulegen, dabei zeigten Kraut und Runkeln die ganze lange Reihe entlang immer in die gleiche Richtung. Meine und die Aufgabe anderer Helferinnen bestand dann darin, mit einem Handgerät, das man mit einem kleinen Spaten vergleichen könnte, die Blätter durch kräftiges Zustechen von den Runkeln zu trennen. Dabei ging man zügig gleichmäßig Schritt für Schritt voran, bis die vom Blatt befreiten Futterrüben in langen Reihen auf dem Acker lagen. Entweder wurden sie nun auf Haufen geworfen, eventuell mit Runkelblatt gegen auftretende Bodenfröste abgedeckt, später aufgeladen und in  eine durch Stroh und Erde geschützte Miete geschichtet. Oder man fuhr mit einer einachsigen hochräderigen Karre, die von einem Pferd gezogen wurde, der sogenannten Sturzkarre, direkt die Runkelreihe entlang, um sie aufzuladen, von Hand natürlich.


(Foto von Erika Böhmer)
V. l. Emilie Stille, geb. Bals, Wilhelm Droste, Wilhelm Junker, Twiete und Elli Großmann, verwitwete Müller, geb. Junker.
Diese landwirtschaftliche Maschine, ein Grasmäher mit Mittelschnittbalken, wurde hier in der Zeit vor dem Mähbinder eingesetzt. Er mähte das Korn und legte die Halme mittels eines Lattenrostes ab. Man brauchte dazu jedoch einen zweiten Mann, der die gemähten Halme mit einem Rechen herüberzog. In schwerer Handarbeit wurden dann die Halme aufgenommen und mit Strohseilen gebunden.
Im Hintergrund sieht man die aufgestellten Richten, das sind die zum Trocknen aufgestellten Korngarben, die nach einem bestimmten Prinzip "aufgerichtet" wurden.

Ich erinnere mich, daß im Anfang meiner Tätigkeit in Meiningsen das Getreide noch mit dem Binder gemäht und gebunden wurde. Die Garben stellte man zu sogenannten Richten zusammen, die nach einer entsprechenden Trocknungsphase eingefahren wurden. Bei dieser Arbeit waren der Landarbeiter W. L. und ich wieder gefragt, denn wir waren die Packmeister auf dem Getreidewagen. Es war sehr wichtig, daß die Männer, die das Aufstaken der Garben übernommen hatten, diese Arbeit fachmännisch ausführten, da sonst das Packen auf dem Wagen zur Quälerei werden konnte. Um anschließend die Garben einzufahren, benutzte man Ackerwagen mit Holzflechten (Brettern) und Aufsatzgerüst, sogenannte Braunschweiger. Das ganze Fuhrwerk wurde selbstverständlich damals von Pferden gezogen. Zum Schluß, wenn der gepackte Erntewagen die richtige Höhe erreicht hatte, und er durch das Einziehen der Garben in der vorletzten und letzten Lage mehr Stabilität bekam, wurde in Meiningsen das ganze Fuder durch ein Seil fixiert, in meiner Heimat kam zum Schluß ein Ladebaum mit Seil darauf, das hinten und vorn mit einer am Wagen befindlichen Winde gespannt wurde.

Nun konnte der hoch beladene Erntewagen mühelos gefahren werden, wenn der Packmeister seine Arbeit korrekt verrichtet hatte.

Die Garben auf den Erntewagen wurden in der Scheune von anderen Erntehelfern entladen und in die sogenannte Banse gepackt. So war der Erntevorgang nur mit vielen Hilfskräften zu bewältigen. Eine Mannschaft lud auf dem Feld den Wagen, die andere stakte in der Scheune ab und packte in die Banse.

Wenn die ganze Ernte endlich glücklich vom Wetter unbeschadet eingebracht worden war, wußte man das gebührend zu feiern. Das Fest nannte man Harkemei. Ich entsinne mich einer Feier draußen unter den Kastanien. Jeder, der bei der Ernte mit geholfen hatte, war dabei, Tagelöhner und ständige Arbeitskräfte, sowie die Familienmitglieder. Es wurde geschmaust, getrunken und gelacht.

Im Winter, wenn die Außenarbeiten getan waren, begann man das Korn in der Feldscheune zu dreschen. Man war fortschrittlich und hatte einen eigenen Dreschkasten.

Die wichtigste Funktion hatte der Arbeiter, der oben auf dem Dreschkasten stand und das Einlegen der Garben übernommen hatte. Sie wurden ihm von einer Kette Helfer aus der Banse mit der Forke, einer zweizinkigen Gabel, zugereicht. Der Einleger hatte an seine rechten Hand ein Lederteil geschnallt, in das eine scharfe Metallklinge fest eingearbeitet war. Damit schnitt er das Band der Garbe auf, um dann gleichmäßig, ohne daß der Dreschkasten rumpste, die lose Masse einzulassen. Mit einem Messer diese Aufgabe zu meistern, war streng untersagt, denn das versehentlich fallende Werkzeug hätte im Dreschkasten großen Schaden anrichten können.

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Wilhelm Junker, Twiete mit Sense und Wetzstein (Foto von Erika Böhmer)

Vom Rübenhacken möchte ich noch erzählen, denn in den Fünfzigern wurden Rüben noch nicht in Einzelkornsaat ausgesät, sondern standen in ihrer Reihe ganz schön zahlreich.

Man bildete mit allen Helfern eine Kolonne, die auf dem Rübenacker langsam, aber stetig mit der Rübenhacke als Werkzeug voran ging. Vorneweg natürlich der Chef, der damit das Tempo bestimmte. Bei dieser recht mechanischen, eintönigen Arbeit des Rübenverhackens bot es sich an, in der Kolonne angeregt zu plaudern. In der Rübenreihe hackte man in Hackenbreite Rüben weg, um jedoch kleine Hörste stehenzulassen, die dann meist von Kindern auf den Knien verzogen wurden, das heißt einzeln gestellt wurden.

Die Rübenpflegearbeiten wurden auch oft an Leute aus dem Dorf in Akkord vergeben. Anfangs hat es ca. 40 DM pro Morgen als Akkordlohn gegeben, später mehr. Ich erinnere mich, daß auch unsere Kinder, als sie größer waren, mit Akkordrüben ihre Finanzen aufbesserten.

Es gab einen Saisonarbeiter, natürlich mit voller Unterkunft und Verpflegung, der ein sehr flinker, geübter Rübenhacker war. Rübenhacker-Wilhelm kam jedes Jahr wieder aus Hamm zu uns auf den Hof und hatte immer den Plan, von dem Rübengeld seine neuen Zähne zu bezahlen. Dazu kam es jedoch nie, denn immer wurde der Akkordlohn in Alkohol umgesetzt.

In diesen Zeiten lebten und arbeiteten auf unserem Bauernhof viele Menschen. Ein Volontärverwalter, eine ländliche Hauswirtschaftsgehilfin und ein Gespannführer hatten Familienanschluß und freie Kost und Logis. Ein verheirateter Melker und ein Landarbeiter mit ihren Familien bewohnten jeweils eine Wohnung auf dem Hof und versorgten sich selbst. Andere Arbeitskräfte, die in den Arbeitsspitzen wie Ernte oder Kartoffel lesen beschäftigt werden mußten, wurden selbstverständlich verpflegt, besonders beliebt war in der Kartoffelernte nachmittags der Apfelkuchen.

Bedingt durch diese Großfamilie auf dem Hof wurde ein landwirtschaftlicher Haushalt mit großem Aufwand geführt. Ein Gemüsegarten mußte in Schuß gehalten werden, Arbeiten im Geflügelstall waren notwendig, und die Bäuerinnen in Westfalen hatten gelernt, selbst die Wurst aus Rind- und Schweinefleisch herzustellen. In den Arbeitsspitzen waren sie im Außenbetrieb gefragt, und oft übernahmen sie selbständig einzelne Betriebszweige, wie z. B. die Schweinehaltung oder Arbeiten im Kuhstall.

Quelle

  1. Risse, Dela: Meiningsen: Gestern und heute. Siehe Literaturverzeichnis.