Von unseren Vorfahren, den alten Deutschen, wissen wir weiter nichts, als was der römische Chronist Tacitus darüber berichtet. Es ist neuerdings bekannt, daß auch dieser Tacitus niemals in Deutschland war. Seine sämtlichen Aufzeichnungen sind Berichte und Erzählungen, die er von den im römischen Heere dienenden deutschen Söldnern erhalten hat. Alsdann wissen wir noch, daß neun Jahre nach Christi die Schlacht im Teutoburger Walde gewesen sein soll. Es ist auch noch sehr umstritten, ob der Teutoburger Wald damals das Schlachtfeld war. Die Meinungen der Forscher gehen da sehr weit auseinander. Der römische Feldherr Varus soll sich in sein eigenes Schwert gestürzt haben, als die Schlacht für die Römer verloren war. Der Anführer der deutschen Heere war Hermann der Cherusker, dessen Denkmal im Teutoburger Walde steht. Es ist bekannt, daß Hermann der Cherusker viele Jahre in römischen Diensten gestanden hat und die Kampfesweise der Römer aus eigener Erfahrung kannte. Er lockte die Römer in die Wälder, weil er wußte, daß sich die römische Kampfesart dort nicht durchführen ließ.
Es muß auch besonders darauf hingewiesen werden, daß es in damaliger Zeit und auch viele hundert Jahre später in Deutschland keine Straßen und Wege gab. Der Anmarsch feindlicher Truppen konnte nur durch die Flußtäler erfolgen. Aus diesen Gründen haben verschiede-ne Städte z. B. Soest, auf den Höhenzügen und an den Ausgängen der Flußtäler einen Wachtturm mit einem Wachtposten aufgestellt oder einen Aussichtsturm errichtet, damit der Anmarsch feindlicher Soldaten frühzeitig gemeldet werden konnte. Eine solche Stelle war viele Jahrhunderte lang der Kirchturm in Meiningsen.
Die Zeiten waren damals sehr unruhig, und jeder Mensch, besonders jede geschlossene Ortschaft war bestrebt, sich gegen Überraschungen zu schützen. Auch Räuberbanden zogen im Lande umher. Von den alten Deutschen ist bekannt, daß sie sich gegenseitig bekämpften und gegeneinander zu Felde zogen. Sie waren seßhafte Bauern, die in geschlossenen Siedlungen zusammen wohnten. Es ist anzunehmen, daß solche zur Siedlung geeignete Flächen auch im Urwald zu finden waren, wo durch Blitzschlag ein großer Brand ein Stück des Urwaldes niederlegte. Es ist absolut anzunehmen, daß auch Meiningsen und späterhin andere Dörfer auf diese Art und Weise entstanden sind. Aus der Vergangenheit einer Stadt oder eines Dorfes, irgend etwas Bedeutungsvolles zu berichten, ist nicht möglich, ohne die Vorgänge in der näheren und Weiteren Umgebung zu diesen Berichten heranzuziehen.
Die Lebensführung der Völker und der alten Deutschen war sich im allgemeinen ziemlich gleich. Es ist bekannt, daß die Leute beispielsweise in der Umgebung von Soest oder Nürnberg, Augsburg, Hamburg, Dresden und weiterhin nach allen Himmelsrichtungen sich ziemlich ähnlich waren. Wenn unsere Vorfahren, die alten Deutschen, auch nicht lesen und schreiben konnten und uns nichts Schriftliches hinterlassen haben, so ist doch später durch Ausgrabungen fast genau festgestellt worden, wie sie wohnten, wie ihre Häuser beschaffen waren, über welche Gerätschaften sie verfügten, welche Tiere mit ihnen zusammen wohnten und was sie gegessen und getrunken haben, auch, welche Bekleidung bei ihnen üblich war.
Ein Beweis dafür, daß das Eindringen in ein Land fast durchweg durch die Flußtäler erfolgte, ist dadurch erbracht, daß die Römer den Rhein herunter kamen und durch das Tal der Lippe landeinwärts zogen. Die von ihnen erbauten Siedlungen waren meistens befestigte Behausungen und Wälle.
In vorstehendem Bericht von der Hermannsschlacht bis zum Wachtposten auf dem Kirchturm von Meiningsen ist ein Zeitraum von fast 1000 Jahren übersprungen worden. In dieser Zeit erfolgte eine der gewaltigsten Umwälzungen in der ganzen Geschichte des Abendlandes. Man kann einen Teil dieses Zeitraumes als das Zeitalter der Franken und besonders des Kaisers Karl des Großen bezeichnen.
► Meiningsen bei Soest, Inhaltsübersicht.