Meiningsen bei Soest [1]

Die Abteien

Die von Karl dem Großen gegründeten Abteien waren keine Klöster im üblichen Sinne, sondern Handwerkslehranstalten, in denen die Jugend ein Handwerk erlernen sollte. Es gab dort Schreiner, Seiler, Gerber, Wagenbauer, Schuhmacher, Schneider und andere mehr. Die Meister waren Römer, Italiener, Franken und auch Deutsche. Alle Lehrpersonen waren an die klösterliche Disziplin gebunden. Auch viele Klosterfrauen (Nonnen) waren in einer Abteilung der Abtei; diese lehrten die Bevölkerung den Gartenbau (Veredelung der Obstbäume) und die Herstellung von Kleidungsstücken aus Flachs und “Wolle. Die Abteien hatten brauchbare Spinnräder und Webstühle, die hier ebenfalls von den Handwerkern hergestellt wurden.

Die Ureinwohner, die alten Deutschen, hatten nur Tierfellbekleidung, falls sie nicht durch fahrende Händler Leinen und Wollstoffe im Tauschhandel erworben hatten. Werkzeuge (außer einem alten Römerschwert) waren überhaupt nicht bekannt. Für 100 Ochsen- und Rinderfelle wurden z. B. eingekauft: 1 große Säge, 1 Brettsäge, 1 kleine Säge und 1 Axt nebst etwas Schärfwerkzeug. Es konnte also nur ein ganzes Dorf zusammen, ein Fürst oder eine Stadt so etwas kaufen. In den Abteien wurden diese Werkzeuge hergestellt. Deshalb überfielen die alten Deutschen manchmal eine solche Abtei, machten die Schutzmannschaft nieder und führten alle anderen in Gefangenschaft in den weiten Urwald. Der Abt als oberster Befehlshaber wurde in die heiligen Haine geführt und dort von einer germanischen Priesterin über dem Opferstein durch Speerstich getötet und sein Blut zur Ehre des Gottes Wotan verspritzt. Außerdem wurden zur Ehre germanischer Götter jeweils noch drei Personen, eine Frau und zwei Männer, geopfert. Ihrer Kleider beraubt, wurden sie im Urwald rücklings an Bäume gefesselt. Nachdem ihnen noch der Bauch geöffnet war, wurden sie den wilden Tieren überlassen und den Raben, die den Rest besorgten. Die übrigen Abtei-Insassen – es waren manchmal viele Hunderte – wurden verteilt. Die Nonnen wurden germanischen Männern zugeteilt, von denen sie Kinder bekamen.

Diese Ereignisse waren die Ursache des Sachsenkrieges gegen den Herzog Wittekind. Der Krieg begann 772 und dauerte 30 Jahre. Im Verlauf dieses Krieges wurde ein ganzes fränkisches Heer mit dem Feldherrn an der Porta Westfalika bis auf den letzten Mann vernichtet. Kurze Zeit später war das furchtbare Blutgericht in Verden an der Aller. Hermann Löns berichtet davon in seinem Wehrwolf.

Die Anfänge der Klöster Paradiese, Corvey mit den Externsteinen (germanische Opfersteine), Werl und Werden an der Ruhr stammen noch aus dieser Zeit. Daß sich ein Herrscher wie Karl der Große, dem ganz Europa gehörte und der am Weihnachtsmorgen des Jahres 800 in Rom zum Römischen Kaiser gekrönt wurde, sich solche Übergriffe der Sachsen (Westfälinger) nicht gefallen ließ, ist wohl selbstverständlich.

Durch ein großes fränkisches Heer begann die Treibjagd auf germanische Streitkräfte Wittekinds am Rhein, an der Ruhr und weiter nach Norden. 110 Abte, Klosterinsassen und Nonnen sollen die Germanen umgebracht haben. Bei dem Blutgericht in Verden soll Karl der Große auf einem 10m hohen Gerüst gesessen haben und nach jedem Trompetenstoß 110 Germanen die Köpfe abschlagen lassen. Frauen und Kinder mußten zusehen. Die Leichen wurden später verbrannt. Einwohner aus Meiningsen und der Soester Börde waren auch dabei. Später wurde zwischen Karl dem Großen und Wittekind Frieden geschlossen und Wittekind im Lande der Franken getauft; er hat sich zum Christentum bekehrt.

Auf den Bauernhöfen eines Dorfes war eine ungeheure Menge Arbeit. Maschinen waren noch nicht bekannt. Außer den primitivsten Ackergeräten, die von Pferden oder Ochsen gezogen wurden und heute noch in Museen zu sehen sind, war keine maschinelle Hilfe vorhanden. Das Getreide mußte mit der Sichel geschnitten und mit dem Flegel in der Hand gedroschen werden. Wenn die damals vorhandenen Wassermühlen im Sommer kein Wasser hatten, mußte das Getreide zum Brotbacken mit der Hand zwischen zwei Steinen zerrieben werden. Der Viehbestand setzte sich zusammen aus Pferden, Kühen, Ochsen und Schweinen in großer Zahl und einer Menge Schafe. Man konnte es sich nicht leisten, Getreide an Schweine zu verfüttern, das brauchte man zur menschlichen Ernährung. Die Schweine wurden in die Eichen- und Buchenwälder getrieben und ernährten sich von den Eicheln und Bucheckern. Es gab überall Schweine- und Schafhirten, welche diese Tiere betreuten. Abends wurden die Schweine durch ein Hornsignal wieder in die Ställe gelockt, wo sie eine kleine Menge Getreidefutter bekamen.

Zu einem Rittergut gehörten in den meisten Fällen eine ganze Menge Bauernhöfe. Die Hilfsmannschaften, Knechte und Mägde, wurden dem Bauern zugeteilt. Außerdem befanden sich auf den Bauernhöfen die sog. Inst-Leute, die in kleinen Häusern in der Nähe des Dorfes wohnten. Diese Inst-Leute waren die Stamm-Mannschaft. Wenn ein Bauernknecht Inst-Mann wurde, hatte er Gelegenheit, eine Familie zu gründen. In einigen Gegenden nannte man diese Inst-Leute Hofgänger. Jeder Bauer mit seinem gesamten Anhang war auch kriegsdienstpflichtig. Der Umgang mit der Waffe mußte auch erlernt werden. Es gab damals den Speer, die Lanze und Pfeil und Bogen. Außer der Landarbeit war also noch ein gewisses Exerzieren für Kriegsdienstzwecke notwendig. Es gab auch damals schon Fußvolk und Reiterei. Die Frauen und Mädchen eines Dorfes waren außer mit dem Dreschen des Getreides noch mit Spinnen der Wolle und des Flachses beschäftigt. Webstühle, mit denen man diese Rohprodukte zu Kleiderstoffen verarbeiten konnte, gab es auf dem Lande wenig. Die Halbfertigfabrikate wurden daher meistens in der Stadt von den entsprechenden Handwerkern weiterverarbeitet.

Der Gutsherr lieferte an die Städte die Lebensmittel. Kartoffeln waren noch nicht bekannt, man entdeckte sie erst zur Zeit des Großen Kurfürsten. Der frühere Seeräuber und spätere englische Admiral namens Drake soll die ersten Kartoffeln von Amerika mitgebracht haben. Die Ernährung der Bevölkerung bestand daher hauptsächlich aus Brot, Bohnen, Erbsen, Lin-sen und Hirse.

Die Verteilung der Lebensmittel war Sache des Gutsherrn. Vielfach wurde Klage darüber geführt, daß er seine Untergebenen nicht ausreichend versorgte. Lag das Dorf auf fruchtbarem Boden, dann war diese Lebensmittelknappheit höchstens bei Mißernten zu fürchten, aber in Gegenden mit weniger guten Bodenverhältnissen sind oft Hungersnöte ausgebrochen. Durch die ständig zu führenden Kämpfe kam es vor, daß in einem Dorfe die männliche Bevölkerung sehr gering war. In solchen Fällen sah sich der Gutsherr gezwungen, bei entfernt liegenden anderen Rittern und Gutsherren Leute zu kaufen. Es kam vor, daß der Burgvogt zu einem viele Tagesreisen entfernten Gutsherrn gesandt wurde, um dort Leute zu holen. So sandte auch ein Gutsherr der Soester Börde seinen Burgvogt zu einem anderen Gutsherrn, um dort etwa 50 Arbeitskräfte, Männer und Frauen, aufzukaufen. Nun ist es selbstverständlich, daß ein Gutsherr niemals seine besten Arbeiter abgab, sondern nur diejenigen, mit denen er nicht zufrieden war, die nichts konnten oder nicht wollten, faul waren oder sonstige Mängel aufwiesen. Besonders enttäuschend war das Ergebnis, wenn diese Arbeitskräfte aus Gegenden, wo man wenig Ackerbau aber recht viel Viehzucht betrieb, zu einem Gutshof kamen, wo viel Ackerbau und wenig Viehzucht betrieben wurde. Viehhirten zu der im Verhältnis sehr schweren Landarbeit zu benutzen, ist mit Schwierigkeiten verbunden, So kam eines Tages dieser betreffende Burgvogt mit etwa 50 Arbeitern zurück. Als sich der Gutsherr diese eingekauften Arbeitskräfte nach Ankunft einmal bei Licht besah, merkte er, daß sein lieber Nachbar ihm ganz gewaltig übers Ohr gehauen hatte. Die Arbeiter hatten keine Schwielen in den Händen und kannten von der Ackerwirtschaft soviel wie nichts. Hierüber in Zorn geraten, ließ er jeden der Angekommenen erst einmal gründlich verprügeln. Als sich einer beschwerte und fragte, weshalb sie denn hier so geprügelt würden, wo sie doch gar nichts verbrochen hätten, wurde ihm zur Antwort gegeben, das sei die Einleitung der später stattfindenden Empfangsfeierlichkeiten. An diesem Vorkommnis kann man erkennen, daß es auch schon in damaliger Zeit Enttäuschungen auf beiden Seiten gab.

Das Leben in der Stadt spielte sich in ähnlichen Bahnen ab. Aber weil die Städter nun freie Bürger waren, wurden solche radikale Methoden, wie eben geschildert, nicht mehr angewandt. Es kam auch vor, daß irgendein Leibeigener in die Stadt flüchtete. Selten behielt man ihn, weil er eben kein Handwerker war. Aber auch die Städte brauchten Wachsoldaten und Kräfte für gröbere Arbeiten an den Befestigungsanlagen. Für diese Zwecke wurden dann auch solche Leibeigene in der Stadt behalten. Nach einer gewissen Bewährungsfrist wurden sie ebenfalls Bürger, d. h. sie wurden freie Männer. Wollte man einen nicht behalten, wurde er dem Gutsherrn ausgeliefert und Lösegeld gefordert.

Die Leibeigenen auf dem Lande erhielten auch einen gewissen Lohn (Geld), und verschiedene Bauern hatten auch die Berechtigung, von sich aus Lebensmittel in die Städte zu verkaufen. Sowohl auf dem Lande wie in den Städten fanden zu allen Zeiten ab und zu Festlichkeiten statt, z. B. das Kirchweihfest oder ein Turnier (eine Waffenübung). Dann wurde auch Bier, Wein und Schnaps ausgeschänkt. Gutsherren und Stadtverwaltungen hatten fast durchweg das alleinige Recht, solche Getränke herzustellen. Da man sich auch in damaliger Zeit gern seines Lebens freute, gelangte der ausgezahlte Lohn immer wieder dahin, wo er hergekommen war. Als die Bevölkerung vor 1000 oder 1500 Jahren immer zahlreicher wurde, mußten viele Dörfer vergrößert werden. Werkzeuge zum Fällen der meterdicken Eichen und Buchen waren kaum vorhanden; so wurden denn um die Bäume Reisighaufen aufgeschichtet und später in Brand gesetzt. Dadurch wurden sie in ihrer Entwicklung gehemmt und starben ab. Im Laufe der Jahre fielen sie dann von selber um. Ackerland herzustellen war also sehr mühsam, aber es wurde durch dieses Aus- und Abbrennen von Jahr zu Jahr eine kleine Fläche hierfür freigemacht. Durch Blitzschlag hervorgerufene Brandstellen wurden ebenfalls für den Ackerbau nutzbar gemacht. Auf diese Art wurden die Dörfer im Laufe der Jahrhunderte immer größer.


Meiningsen bei Soest, Inhaltsübersicht.

Quelle

  1. Josef Wedding: Meiningsen bei Soest. Siehe Literaturverzeichnis.