Meiningsen bei Soest [1]

Aus der Geschichte der Wiedertäufer

In einem Buche aus dem Jahre 1535 heißt es, daß die Wiedertäufer auch in Soest und Umgebung gewesen seien und dort versucht hätten, in und vor der Kirche zu predigen. Sie wären aber verjagt worden. Dann heißt es an einer Stelle u. a.: In einem kleinen Dorfe in der Nähe von Soest (vermutlich Meiningsen) gelang es zwei Wiedertäufern, die priesterliche Kleidung trugen, an einem Sonntagmorgen während des Hauptgottesdienstes in die Kirche einzudringen. Als der Geistliche, der den Gottesdienst abhielt, die Kanzel besteigen wollte (er war 90 Jahre alt), wurde er von einem der Wiedertäufer daran gehindert. Der Geistliche zog sich in die Sakristei zurück; der Fremde bestieg die Kanzel und predigte in seinem Sinne, nämlich, daß die Taufe der Kinder im christlichen Sinne nicht gültig sei, weil Jesus als Erwachsener von Johannes dem Täufer im Jordan getauft worden sei. Für eine gültige Taufe müsse der Mensch den Gebrauch seiner Vernunft erreicht haben. Inzwischen hat der alte Geistliche seinen Küster zum Gutshof geschickt, um Hilfe zu holen. Er brachte sofort den Burgvogt und den Polizisten (Profos) mit. Dieser Polizist, ein großer, starker Mann, holte diesen Wiedertäufer von der Kanzel herunter und verließ mit ihm die Kirche. Der andere Wiedertäufer verließ fluchtartig die Kirche und wurde nicht mehr gesehen. Der Verhaftete wurde zunächst mit Stricken an den Pranger gebunden. Am Nachmittag trat das Dorfgericht zusammen und verurteilte denselben wegen Ketzerei, Störung des Gottesdienstes und Gotteslästerung zu der damals allgemein üblichen Strafe am Pranger. Bei Sonnenaufgang wurde er von mit Stöcken bewaffneten Bauern aus dem Dorfe getrieben. Seit der Zeit wurde von den Wiedertäufern in Soest und Umgebung nichts mehr gehört. Der Empfang ist ihnen sicherlich zu ungastlich gewesen.


Meiningsen bei Soest, Inhaltsübersicht.

Quelle

  1. Josef Wedding: Meiningsen bei Soest. Siehe Literaturverzeichnis.