Meiningsen bei Soest [1]

Tradition

Aus mündlicher Oberlieferung kann auch einiges berichtet werden. Herr Linhoff sen., ein noch sehr rüstiger Herr von 83 Jahren, der wie seine Vorfahren einen ansehnlichen Bauernhof in Meiningsen besitzt, sagt folgendes:

Von meinem Vater und Großvater wurde mir erzählt, daß um den etwas erhöht liegenden Burghof früher große Berge von Bruchsteinen gelegen hätten, die für Fundamente an anderen Bauten und für den Straßenbau verwendet wurden. Außerdem führte um den Burghof ein tiefer Wassergraben, der zum Teil dort war, wo jetzt die Kreisstraße durchs Dorf geht. Soweit die Ruine der ehem. festen Burg. Herr Linhoff ist noch im Besitze einer fast 100 Seiten starken Gerichtsakte aus dem Jahre 1850 bis 1864. Sämtliche Seiten sind mit der Hand und dem Gänsekiel als Schreibfeder beschrieben. Nach Durchsicht der Akte, in der fast sämtliche Namen Meiningser, Epsingser, Hevingser und Deiringser Bauern sowie eine Anzahl Namen Soester Bürger verzeichnet sind, stellte ich fest, daß es sich hier um eine rein private Zusammenlegung (Separation) oder Auseinandersetzung sämtlicher Grundstücke vorbezeichneter Gemeinden handelt. Sogar bei Ostönnen lag noch Land von Meiningser Bauern. Auch der Besitz, der zur Windmühle gehörte und sehr erheblich gewesen sein muß, ist bei der Auseinandersetzung mit einbegriffen. Die Geldbeträge, die in Taler gezahlt wurden, schwankten zwischen 50 und 1000. Es ist anzunehmen, daß die Größe der jetzigen Bauernhöfe damals festgelegt wurde. Die Akte ist ein außerordentlich interessantes, wertvolles Dokument.

Herr Blumendeller, ein würdiger Herr von 75 Jahren (langjähriger Bürgermeister von Meiningsen), teilte mit, daß er ein Nachfahre der ehemaligen Schulze-Familie sei, deren Mannesstamm ausgestorben ist. Einer seiner Vorfahren, Dietrich Schulze habe die Windmühle aus eigenen Mitteln im Jahre 1818 erbaut. Wie notwendig der Bau dieser Windmühle damals war, geht aus einer Erzählung des Herrn Blumendeller hervor.

Es war in einem Jahre nach dem Befreiungskriege 1812 – 1816, als viele Bauern kein Brot backen konnten, weil das Korn wohl vorhanden war, aber kein Mehl gemahlen werden konnte. Der Sommer war trocken und der Herbst auch. Die Mühlen hatten wenig Wasser. Mit der Handmühle war das Brotmehl nicht fertigzubekommen. So war mein Großvater eine Woche vor Weihnachten mit einem 2-Scheffel-Sack zu Pferde nach der Wassermühle an der Ruhr oder Mohne geritten, um das Korn mahlen. zu lassen. Nach einer Wartezeit von einer Woche und unter Aufwendung eines guten Trinkgeldes hatte er dann endlich Mehl im Sack und kam am Weihnachtsmorgen wieder zu Hause an. Beinahe hätte es zu Weihnachten kein Brot zu essen gegeben. Seit einem halben Jahr gab es sowieso nur noch jeden Tag eine Scheibe für jeden.

Was es bedeutet, nur eine Scheibe Brot im Tag zu bekommen, das kennen wir ja aus neuester Zelt und aus Erfahrung. Aber daß ein Bauer kein Brot hat, das ist in den beiden letzten Weltkriegen doch wohl nicht vorgekommen. Die Dampfmaschine war damals noch nicht erfunden, es standen nur die Naturkräfte Wasser und Wind zur Verfügung.

Ich nehme an, daß hiermit zwei interessante Sachen aufgeschrieben sind, die einen Einblick in die Lebensführung der Bewohner von Meiningsen und Umgebung gewähren.


Meiningsen bei Soest, Inhaltsübersicht.

Quelle

  1. Josef Wedding: Meiningsen bei Soest. Siehe Literaturverzeichnis.