Einige hundert Meter haaraufwärts von Meiningsen in südwestlicher Richtung ist im Sommer eine eigenartige Naturerscheinung zu beobachten: der Haar-Zug. Diese Naturerscheinung ist in Büchern, die über Soest und die Börde schreiben, schon im Jahre 1200 erwähnt. Der Haar-Zug ist kein Wind im üblichen Sinne, sondern mehr eine gleichmäßige dahinströmende Luftströmung. Die Geschwindigkeit dieser Luftströmung ist etwa 4 – 6 m/sec. Die Entstehung dieser Naturerscheinung ist darauf zurückzuführen, daß sich die bewaldeten Berge des höher gelegenen Sauerlandes eine Stunde nach Sonnenuntergang stark abkühlen. In der Börde, wo vorwiegend Ackerland ist, welches viel länger warm bleibt, zieht die warme Luft in die Höhe. Dadurch entsteht ein gewisses Vacuum. Die bedeutend schwerere und kältere Luft aus den sauerländischen Bergen zieht über die Haar in die Börde hinein, um dieses Vacuum auszufüllen. Jeder Wind ist ein unruhiger Geselle und bläst stoßweise, während der Haar-Zug ein gleichmäßig fließender Luftstrom ist. Vor dem Dorf teilt sich der Haar-Strom in zwei Teile; der eine Teil zieht zwischen Deiringsen und Meiningsen zu Tal, während der andere Teil zwischen Meiningsen und Ebsingsen in die Börde einfällt. Im Dorfe Meiningsen selbst ist von dem Haar-Zug kaum etwas zu spüren. Bei Gewittern im Sauerland und in der Börde ist der Haar-Zug gestört, er kommt aber sofort wieder, wenn sich das Gewitter verzogen hat. Selbst ein starker Ostwind, der dem Haar-Zug gewissermaßen entgegenbläst, wird von dem Haar-Zug sozusagen unterlaufen. Diese Erscheinung ist sehr augenfällig. Es ist z. B. zu sehen, daß oben die Wolken nach Westen ziehen, der Wind aber von Südwesten, also genau entgegengesetzt, bläst. An der Stelle, an der die Windmühle steht, herrscht die ganze Nacht hindurch, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang, Südwestwind (Haar-Zug). Die Temperatur, die bei Tage vielleicht 25 – 28 Grad beträgt, fällt durch Einwirkung des Haar-Zuges bis auf 10, manchmal sogar 8 Grad C. Schwüle Nächte, wie man sie in der Stadt kennt, sind im Bereich des Haar-Zuges unbekannt. Dort ist es nachts immer kühl, so daß jeder, auch der nicht ganz gesunde Mensch, gut schlafen kann. Der Haar-Zug mit hohem Gehalt an Sauerstoff und harzigem Duft hat eine gute Heilwirkung auf Asthma-Erkrankungen (wie bereits erprobt).
Herr Heinrich Balz, Schreinermeister, Wirt und Eigentümer der Wirtschaft H. Balz, an der alten Kirche in Meiningsen, bekundet aus seinen Erinnerungen folgendes: Es gab vor dem Jahre 1900 in und um Meiningsen nur den Mühlen- und Wasserweg, der, wenn auch nicht wie in jetziger Verfassung, für Fuhrwerke passierbar war. Die jetzige Kreisstraße nach Soest war nur ein ausgewaschener Graben, der nach Soest führte, weit näher, die auch vorwiegend von Fußgängern und Reitern benutzt wurde. Wer des nachts von Soest nach Meiningsen zurückkam und etwas schief geladen hatte, dem konnte es passieren, das er von einem Entgegenkommenden auf die Hände getreten wurde; was wieder darauf schließen läßt, daß der Aufstieg aus dem Meiningser Tal, der in diesem Falle wohl auf allen Vieren vor sich ging, die Gelegenheit bot, auf die Hände getreten zu werden, sehr bezeichnend ist für den jeweiligen Zu-stand. Alsdann gab es früher in Meiningsen einen alten Schäfer Anton Biene, der sich mit viel Verständnis und Erfahrung auch als Kurpfuscher betätigte, und er kannte was von Menschen und Vieh. Des nachts einen Arzt aus Soest zu holen ging nur zu Fuß oder zu Pferde und das dauerte stundenlang, wenn aber der alte Anton frühzeitig bei dem Kranken war, dann hatte er mit seinem Tee oder Umschlag die Gefahr bereits beseitigt. Bemerkenswert ist noch, daß der alte Anton in einem Steinkrug häufig Wasser aus dem Brunnen an der Windmühle holte, um seine Kranken dieses trinken zu lassen. Im Dorfe selbst waren auch eine Menge Brunnen, aber dieses Wasser taugte nach Ansicht des alten Anton nicht, weil zu viel Mistkuhlen und versumpfte Gräben in der Nähe waren.
Diese Sachen mit dem alten Anton sind wichtig genug, um hier festgehalten zu werden, werfen aber auch ein Licht auf die Lebensführung vor 50 bis 70 Jahren. Herr Heinrich Balz ist bald 80 Jahre alt und war im Schützeilverein, Kriegerverein und in der Feuerwehr maßgeblich tätig.
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